Konzentriert man sich auf die sprachliche Zusammensetzung des Wortes, lässt sich folgendes erkennen:
1. "Ver" ist im Sprachgebrauch meist negativ belegt, wie z. B. "Verlieren, verbauen, vertreiben, verjagen, vernichten" u. a. m. Freilich gibt es auch Ausnahmen, deren Bewertung ich meinen LeserInnen selbst überlassen möchte, wie z. B. "verloben, verheiraten" usw.
2. "Antworten" bedeutet schlicht und einfach, zu einer Frage, einem Problem, einer Situation Stellung zu beziehen, ein Wort "entgegenzusetzen".
Die Verantwortung zählt zu jenen besonderen Begriffen, deren Bedeutung und Wertigkeit in unserer Zeit nach Belieben wie ein Luftballon aufgeblasen werden kann, jederzeit ist die Luft bei Bedarf aber schnell wieder raus. Am deutlichsten kann man die besondere Elastizität der Verantwortung in der Politik und in der Wirtschaft tagtäglich an ganz konkreten Beispielen erleben.
Immer dann, wenn politische Wahlen vor der Tür stehen, führen die pfiffigsten Kandidaten das Wort "Verantwortung" ständig im Mund, nicht ohne auf die Riesenbelastung hinzuweisen, die sie alleine im Interesse der Allgemeinheit geradezu selbstlos zu übernehmen bereit sind. Ähnliches gilt für Manager und Wirtshaftskapitäne, die allerdings für die Übernahme der Verantwortung um das Wohl und Wehe ihres Unternehmens üppige Gagen mit lockerer Selbstverständlichkeit einstreifen.
Sobald sie jedoch ihren Karren in den Graben oder gegen die Wand gefahren haben und nachweisliches Fehlverhalten sichtbar wird, gilt für beide Gruppen das Gleiche: Mit atemberaubender Geschwindigkeit können Politiker wie Manager mehr oder wenig einleuchtende Gründe für die fatale Siutation finden und erfinden. Je komplexer und undurchsichtiger die Argumentationen sind, desto leichter lässt sich die Schuld für das Versagen irgendwo im Außenbereich festmachen. Wenn dann noch irgendein Naturereignis in das Geschehen mit eingeflochten werden kann, wird der Begriff "Verantwortung" behende kleingeredet. Die Luft ist wieder draußen und das Spiel kann ohne besondere Konsequenzen für die Missetäter wieder von vorne beginnen. Den Einsatz übernimmt die Allgemeinheit.
Lasst uns endlich nach den vielen jüngst hautnah erlebten Beispielen diese Mechanismen durchschauen und unsere eigene Verantwortung übernehmen. Und zwar nicht nur, wenn wir wie bisher gemeinsam die von anderen angeichteten Schäden gut machen und die Suppe auslöffeln, sondern vor allem dann, wenn wir als Wähler unseren - zugegeben bescheidenen - Einfluss auf die politische Gestaltung unserer Zukunft nehmen können.