Montag, 16. Juli 2012

Der grobe Unfug mit “Political Correctness” oder: Was man alles nicht mehr sagen sollte

Jedem auch nur halbwegs vernünftigen Menschen in jedem halbwegs zivilisierten Land leuchtet ein, dass Minderheiten einer besonderen Zuwendung, Achtung und eines besonderen Schutzes bedürfen. Das gilt für Rassen, Religionen, Kulturen, Geschlecht und spezielle Orientierungen genau so wie für viele Gruppierungen mit diversen Handicaps, soferne sie die geltende Ordnung und die Spielregeln des Zusammenlebens respektieren und beachten. Daraus folgert konsequenterweise, dass auch im allgemeinen Sprachgebrauch diskriminierende Bemerkungen, abfällige Witze, Beleidigungen und selbstverständlich tätliche Übergriffe absolut unangebracht und nicht akzeptabel sind. Dass man im Übereifer auch hier den Schutz so sehr übertreiben kann, dass die Vorschläge unfreiwillig ins Komische und Lächerliche abgleiten, haben die Autoren eine Leitfadens bewiesen, den hochoffiziell das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit herausgegeben hat. Der guten Sache wurde damit kein besonders guter Dienst erwiesen. Hier ein paar Beispiele, zum Teil sogar mit einigem Unterhaltungswert: Verfemt ist das allgemein gebräuchliche Wort "Zigeuner", an dem ich an sich nichts Schlechtes finden kann, ist es doch eine uralte Kultur, die sich im Laufe der Zeit über ganz Europa ausgebreitet hat. Vorgeschlagen wird, sie als "Sinti" oder "Roma" zu bezeichnen, obwohl das nur zwei von vielen Stämmen sind. Was soll an den beiden neuen Bezeichnungen schöner oder besser sein? Die Verpackung ändert sich, der Inhalt bleibt gleich. Der Leitfaden gibt auch keine Antwort darauf, wie in Hinkunft die Zigeunermusik, der Zigeunerprimas, das Zigeunerschnitzel, der Zigeunerspiess oder der Zigeunerbraten umgetauft werden sollten. Runter damit von der Speisekarte? Ein ganz besonders sensibles Problem scheint das Thema "Behinderung" zu sein, denn da gehen die Meinungen oft leidenschaftlich auseinander. Dass der mit dieser Bezeichnung erfasste Personenkreis jede nur denkbare Unterstützung erhalten soll, steht für mich außer Frage. In der differenzierten Wortwahl zwischen "Menschen mit Behinderung" oder " Menschen mit Handicap" oder "Behinderte Menschen" kann ich keine diskriminierende Unterscheidung erkennen. Das wahre Problem liegt meiner Meinung nach in dem viel zu komplizierten Zugang zu einer anständigen und angemessenen Unterstützung. Die Politik wäre gut beraten, dem betroffenen Personenkreis zumindest einen Bruchteil der Gelder zuzubilligen, die derzeit den Spekulanten und Banken achtlos in den Rachen geworfen werden. Was ist eigentlich an der Bezeichnung "Neger" so schrecklich? Die meisten, die darauf ablehnend reagieren, wissen nicht genau, warum. Man sagt das einfach nicht mehr. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und wird heute noch in einigen modernen Sprachen für "Schwarz, schwarze Farbe "verwendet. Eine Hautfarbe an sich zu beschreiben kann nicht diskriminierend sein. Lediglich die aus den US - Südstaaten aus der Zeit der Sklavenhaltung stammenden Verbalhornung "Nigger" ist abschätzig und beleidigend gemeint. Die Autoren des Leitfadens machen an dieser Stelle die absonderlichsten Verbiegungen und Verrenkungen, bis sie zu dem genialen Ergebnis finden, die Hautfarbe im Sprachgebrauch überhaupt gänzlich auszuklammern. Eine wahrhaft elegante Lösung. Auf der Strecke bleiben somit geläufige Begriffe wie "Negerkuss", "Negerbrot" und viele mehr. Also, raus damit aus den Süßwarenläden! Zum Schluss eine Warnung an alle Scherzbolde, Spaßmacher und Comedians: Keine Witze mehr über Minderheiten! Keine jüdischen Witze (die können Juden sowieso besser erzählen), keine Witze mehr über Burgenländer, Ostfriesen, Schweizer, Vorarlberger, Tiroler, Wiener, Singles, Ehepaare, Kinder, Männer, Frauen, Senioren, Blondinen und alle anderen Gruppierungen, die eine Minderheit darstellen könnten! Und ganz zum Schluss meine Kernfrage: Wer ist bloß auf die absonderliche Idee verfallen, dieser Thematik den Begriff "Politische Korrektheit" zuzuordnen? Ist diese Wortschöpfung an sich nicht pervers, wenn wir in Anbetracht der scheinbar nicht endenwollenden politischen Skandale und Rechtsverbiegungen die Korrektheit mit der Politik in einem Atemzug nennen, ohne schamrot zu werden? Wird es das "Unwort des Jahres"?