Sonntag, 19. Februar 2012

Mit Reise-Engeln unterwegs: Meine neuesten Erfahrungen über Koffer

Irgendwer hat mir einmal erklärt, der Ausdruck „ Koffer“ sei abwertend, politisch unkorrekt und ein Überbleibsel aus der unseligen Kolonialzeit. Gemeint waren damals die Angehörigen des südafrikanischen Stammes der Kaffern. Seit ich erst kürzlich mit Koffern ganz persönliche Erfahrungen machen musste, kann ich an diese Deutung nicht mehr so recht glauben. Meine Flugreise sollte über Amsterdam nach Kapstadt gehen, wo ich ein Schiff besteigen wollte. Für einen Direktflug dürfte Wien noch zu klein oder zu provinziell sein. Ich entschied mich für eine niederländische Linie – den Namen erwähne ich an dieser Stelle nicht, um nicht ungebührlich Werbung zu machen - , da sie mich rascher und preiswerter ans Ziel zu bringen versprach, als die deutsche oder britische Konkurrenz. Dann aber kam alles ganz anders. Mein Check-In war der letzte noch normale Vorgang. Dann ging es Schlag auf Schlag. Kaum war „Boarding completed“ gemeldet, folgte als erste Hiobsbotschaft, dass sich der Flug wegen eines verstopften Klosetts verzögern würde. Das hatte sich am frühen Morgen wohl nicht eher feststellen lassen. Seit ich mit Engeln Kontakt habe, ziehe ich sie gerne vor dem Antritt jeder Reise zu Rate. Wenn sie energetisch ein Zeichen der Zustimmung geben, gibt es für mich keine Bedenken und keine Flugangst mehr. Ich habe schon öfters gehört, dass besonders vorsichtige und ängstliche Menschen sofort aus dem Flugzeug flüchten, wenn irgendwas nicht reibungslos abläuft. Ich aber frage vor allem die Erzengel Michael und „meinen“ Jophiel, und wenn ich ein zustimmendes Zeichen empfange, klappt letztlich alles. So geschah es auch diesmal. Nach gut einer Stunde emsigen Werkens im kleinsten, aber offenbar wichtigsten aller Nebenräume verkündete eine Flugbegleiterin freudestrahlend den verspäteten Start. Der sportlich ehrgeizige Kapitän versprach sogar, die Verzögerung mit Vollgas auf die Hälfte zu reduzieren. In mir keimte wieder die Hoffnung, den ursprünglich zeitlich reich bemessenen Anschluss doch noch zu erreichen. Der Kapitän hielt Wort, doch das Bodenpersonal machte mir administrativ umständlich einen Strich durch die Rechnung. Meinem Silbervogel konnte ich nur wehmütig nachwinken. „Warum nur, warum schon wieder?“ fragte ich meine Engel. Sie wollten oder konnten mir nichts sagen. Warum–Fragen haben sie noch nie gemocht. Einige Stunden trieb ich mich in der Abfertigungshalle umher und wartete auf meinen Anschlussflug nach London. Eine andere Verbindung gab es an diesem Tag nicht mehr. Die Zeit in Heathrow brachte auch keine Abwechslung, aber spät abends ging es dann doch los. Meine Ärgerlichkeit war vorbei und ich begann, mich auf neue und interessante Reiseerlebnisse vorzubereiten. Die Passkontrolle in Kapstadt verlief mit britischer Disziplin und Genauigkeit und frohgemut trat ich ans Förderband. Alle, wirklich alle Gepäckstücke zogen langsam an mir vorbei. Als es schließlich völlig leer zum Stillstand kam, war mir klar, dass mein Koffer nicht mitgeflogen war. Obwohl ich jetzt wirklich böse wurde, signalisierten meine Reiseengel, dass alles in Ordnung wäre. Damit konnte ich mich nicht abfinden. Mir fiel plötzlich die Erzählung einer Schweizer Freundin ein, die ihr Gepäck als einzige in ihrer Gruppe auf einer Fernreise mit Engelsymbolen geschützt hatte und im Gegensatz zu ihren Begleitern nichts verloren hatte. Zu spät, dumm gelaufen! Ich weiß aus Erfahrung, dass ich Geduld und Vertrauen lernen muss, das zählt zu meinen wichtigsten Lernaufgaben auf diesem Planeten. Jetzt musste ich halt nachsitzen. Aufgabe noch nicht gelernt! Hatten die niederländischen „Koffer“ etwa deshalb nicht mein Gepäckstück gleichzeitig mit mir nach London auf die Reise gegeben, oder war ich selbst ein leichtsinniger „Koffer“? Ganz egal, wo es auch hängengeblieben sein mochte, es blieb verschollen. Mehr als ein paar tröstliche Worte konnte man mir am Reklamationsschalter auch nicht mitgeben. Das dumme Wortspiel mit den Koffern ging mir nicht mehr aus dem Sinn. Das anhaltende Missgeschick wäre nur halb so schlimm gewesen, hätte ich nicht eine Schiffsreise am folgenden Tag antreten müssen. Ich konnte sicher sein, dass man auch ohne meinen Koffer ablegen würde. Einen Urlaubstag hatte ich durch die Flugverspätung schon verloren, den größten Teil des zweiten musste ich darauf verwenden, die allernötigste Ausrüstung und Bekleidung einzukaufen, denn ein Wiedersehen mit meinem Koffer wurde immer unwahrscheinlicher. Alljährlich gehen am Flughafen in Schwechat angeblich einhunderttausend Gepäckstücke verloren. Was, um Himmels willen, passiert mit diesem Kofferberg? Mit so viel Unbehagen war ich noch nie auf Shoppingtour. Vollbepackt mit zwei großen Einkaufstaschen wollte ich am nächsten Tag die Gangway zum Schiff betreten, als mich ein goldbetresster Schiffsoffizier in blütenweißer Uniform am Ärmel meiner neuen Jacke zurückzog. „Sir, ist das vielleicht Ihr Koffer?“ Er deutete dabei auf meinen vermissten, leicht ramponierten, schon fast aufgegebenen und heiß begehrten Koffer, der zwischen verschiedenen anderen Gepäckstücken versteckt da stand. Ich war dermaßen überrascht und verblüfft, dass ich ihn schnell an mich zog und umarmte. Ihn, den Koffer natürlich, nicht den Offizier. „Danke, danke, meine lieben Reiseengel“, mit einem Schlag war alles wieder gut.