Dienstag, 24. Januar 2012

Höhere Mathematik in der Politik: EU-Beitritt Kroatiens

Der österreichische Rundfunk und einige ebenfalls um objektive und seriöse Berichterstattung bemühte Tageszeitungen haben die jüngsten Wahlen in Kroatien auf spezielle Art ganz ordentlich verzerrt dargestellt. "Beim Referendum über den EU -Beitritt haben sich zwei Drittel der Bürger für Europa ausgesprochen!" Klingt gut, stimmt aber nicht. In Kroatien leben 4,3 Millionen Menschen. Dazu kommen 400.000 Auslandskroaten, das macht zusammen 4,7 Millionen. Mit der obigen Schlagzeile wird der Eindruck vorgetäuscht, es könnten sich mehr als 3 Millionen Kroaten für den Beitritt ausgesprochen haben. Tatsächlich lag die Wahlbeteiligung aber knapp unter 44 Prozent, das wären immerhin noch 630.000 Menschen. Wenn man aber alle nicht Wahlberechtigten (Babys, Kinder u.a.m. ) abzieht, bleiben rund 500.000 über. Davon haben 66 Prozent für den Beitritt gestimmt, also eher bescheidene ca. 330.000 Personen. Im Endeffekt bedeutet das aber, dass sich von 4,7 Millionen Kroaten lediglich 330.000 für den Beitritt entschieden haben, das sind magere 7 Prozent. 93 Prozent aber haben sich nicht dafür entscheiden können. Eine Frage am Rand: Entscheidet in einer Demokratie wirklich immer die Mehrheit? Meine Schlussfolgerung: Ein besonders großes Anliegen kann der EU-Beitritt für die Bevölkerung nicht sein. Von unseren Problemen und Brüsseler Auswüchsen hat man auch in Kroatien einiges mitbekommen. Als leidgeprüfter Europäer frage ich mich, ob sich Kroatien in die Reihe der Nettozahler eingliedern lassen wird, oder aber wie die meisten neuen Mitgliedsstaaten auf großzügige und üppige Spenden hoffen darf? Aber das ist wohl eine rhetorische Frage. Jedenfalls bereitete der bescheidene Wahlerfolg wenigstens in den höchsten politischen Kreisen großen Jubel: "Für das Land beginnt ein neuer Abschnitt, ein besseres Leben" und "Das Jahr 2013 wird ein Wendepunkt in der Geschichte!" Nun, ich bin trotz aller Erfahrungen noch immer für ein sinnvoll geeintes Europa und selbstverständlich auch für eine Aufnahme Kroatiens als wichtigen Teil unseres Kontinents. Ob der Zeitpunkt richtig ist, möchte ich bezweifeln, solange im gemeinsamen Haus noch so viele Probleme ungelöst sind. Was mich aber irritiert und zu diesen Zeilen Ausschlag gab, ist die Tatsache, wie ungeniert von den Verantwortlichen in der Politik und den Medien mit Zahlen und Prozenten jongliert wird, um Hörerinnen und LeserInnen durch Schlagzeilen irre zu führen und die Wahlberechtigten zu täuschen. Ist das noch demokratisch oder schon Demokratur?