Sonntag, 24. Juni 2012
Spaniens verkaufte Kinder
Jeder Staat, jedes Volk hat in seiner nicht immer glorreichen Vergangenheit auch dunkle Flecken auf der weißen Weste seines nationalen Selbstbewusstseins gesammelt. Bisher wurden und werden in fast jeder Generation fatale Fehler gemacht, die dann ihren Kindern und Kindeskindern völlig unverschuldet Probleme machen. Wer wusste das besser als wir Österreicher und Deutsche, wenn wir an die kurze Zeit des tausendjährigen Reiches zurück denken. Und innerhalb unserer europäischen Gemeinschaft sind wir gerade wieder drauf und dran, Entscheidungen zu treffen, die unseren Nachkommen mit voller Wucht auf den Kopf fallen werden.
Unlängst sind in Spanien erschütternde Berichte ans Licht gekommen, die in der Bevölkerung Entsetzen und Betroffenheit ausgelöst haben. Nein, mit den Milliarden, die den Banken in den Rachen gestopft werden, hat das nichts zu tun. Es geht um einen jahrzehntelang zurückliegenden Skandal, der bis in unsere Gegenwart reicht. In Spitälern und Geburtskliniken wurden Babies von Frauen, die aus sozial unterprivilegierten Schichten stammten oder die unverheiratet waren, fälschlich für tot erklärt. Tatsächlich aber wurden sie mit Wissen der zuständigen Behörden, der ÄrztInnen und der vorwiegend geistlichen Schwestern an zahlende Kunden zur Adoption frei gegeben. Es ist unvorstellbar, welche Sorgen, Skrupel und Traumata diese betrügerischen Vorgänge bei den betroffenen Familien ausgelöst haben und sie bis heute belasten.
Einige Leute, die dem unerhörten Treiben auf die Spur kamen, versuchen nun, ihre totgeglaubten Kinder oder Geschwister aufzufinden, um Gewissheit über den Verbleib zu erlangen. Anstatt öffentlich Unterstützung zu erhalten, werden ihre Nachforschungen aber gerade von den verantwortlichen Stellen verzögert, behindert oder abgetan.
Meiner Meinung nach geht es gar nicht darum, die persönlich Schuldigen auszuforschen, an den Pranger zu stellen und zu bestrafen. Die meisten dieser Leute sind wahrscheinlich längst nicht mehr aktiv und das Gefühl der Rache oder der Gerechtigkeit, wie das so gerne umschrieben wird, hat noch kein Opfer wirklich zufrieden und glücklich gemacht. Eigentlich geht es doch darum, endlich Seelenfrieden durch Gewissheit zu schaffen, beim Aufarbeiten der Traumata zu helfen und andererseits die Missstände für die Zukunft abzustellen. Dazu sind Klarheit, Offenheit und Ehrlichkeit nötig, daran mangelt es noch. Leugnen, Verzögern und Verschweigen verlängern nur unnötig das Leid der Betroffenen.
Wir befinden uns bereits mitten in einer Zeit des Umbruchs und Wandels, in der Vieles schon ans Licht gekommen ist und Vieles noch aufgedeckt werden wird, was nicht in unserer Ordnung ist und nicht im Einklang mit dem schöpferischen Plan steht. Wir haben alle Chancen, richtig zu stellen, was wir als falsch gefühlt oder erkannt haben. Wenn das geschieht, wird auch für den Verkauf der spanischen Kinder endlich ein "gerechter Preis" entrichtet werden.